Aus dem Archiv: Über den Tellerrand ...
Ein Knall. Ein Stottern. Aus. Nein, nicht schon wieder! Wütend steige ich von meiner Vespa Baujahr 1960, stampfe zornig mit den Füßen, schimpfe wie ein Rohrspatz vor mich hin. Ich bin ärgerlich auf meinen Mechaniker und meinem Roller drohe ich mit dem Schrottplatz. Nach einigen ...
... missglückten Versuchen, dieses alte Ding doch wieder zum Anspringen zu bewegen, gebe ich auf. Grollend packe ich den Lenker meines Gefährtes und schiebe es die Landstraße entlang. Die Lust, die warmen Herbstsonnenstrahlen auszukosten, die Freude an den bunten Blättern und der Genuss der klaren Sicht auf die schon schneebedeckten Berge im Dachsteingebiet sind mir jetzt schlagartig vergangen.
So vor mich hinbrummend, in den Boden starrend merke ich erst im letzten Moment, dass etwas über den Weg huscht. Abrupt bleibe ich stehen, schaue auf und blicke in ein verschmitztes Augenpaar, das sich aber schnell wieder abwendet. „Felix, bleib stehen, du kleiner Lauser!“ Felix, der braun-schwarze Rauhaardackel denkt nicht still zu stehen und hopst wie ein Hase übermütig in die Wiese. „Felix, sitz!“ Klingt es streng zu ihm hin und siehe da - Felix sitzt. Aber nur für einen kleinen Moment, denn ein Schmetterling lenkt ihn ab und lässt ihn den Befehl seines Herren vergessen. „Felix, sitz!“ Felix, des Fangenspiels mit
dem Flattertier ermüdet, trottet schwanzwedelnd zu seinem Herren und lässt sich anleinen. An ihm hochspringend und dabei japsend vor Hundeglück kommt Felix auf mich zu. Sein Herrchen sagt entschuldigend: „Felix ist noch sehr jung, er ist noch nicht erzogen. Aber er ist ein sehr gelehriger Hund.“
Jetzt schauen diese lustigen Augen eines vielleicht zehn Jahre alten Jungen neugierig auf meinen alten Roller. Fachmännisch erkundigt er sich ob des Gebrechens und lädt mich ein mit ihm nach Hause zu kommen. Dort würde sein großer Bruder Peter schon nach dem Rechten sehen. Schließlich habe dieser schon zwei Roller jener Sorte restauriert.
Florian, so der Name meines charmanten Begleiters, führt mich durch eine duftende Apfelbaumallee, vorbei an einer saftig grünen Wiese voll von Herbstzeitlosen zu einem wunderschönen barocken Landhaus.
Fröhliches Lachen, schrilles Schreien von Kindern beim Spielen und die lustigen Klänge einer Fiedel dringen an meine Ohren. Kaum gesichtet, bin ich auch schon umringt von einem Dutzend vergnügter Menschen. Nachdem sie von Florian über mein Missgeschick informiert worden sind, wird mein Roller von Bruder Restaurator in Empfang genommen und ich zu Tisch gebeten. Köstlichkeiten wie Walnussaufstrich, Kürbisstrudel, Erdäpfelkäse mit feinem Speck, Rindfleischsalat, Kartoffelsteinpilzsuppe, Topfenknödel mit Zwetschkenröster, Apfel - Walnuss - Torte, Maroniglacées werden mir angeboten. Dazu reicht man mir ein Glas Pinot Noir von der Kelterei St. Valentin. Kinder bringen mir heiße Kartoffel und Saiblingsstückchen vom Lagerfeuer. Herrlich wie das alles duftet und schmeckt! Jubiläen gäbe es heute zu feiern, wird mir gesagt: Eine goldene Hochzeit, einen runden Geburtstag und eine Geburt. Na, wenn das kein Grund für ein großes Herbstfest ist!
Später dann, als die kühle Feuchtigkeit an den Beinen hochsteigt, bittet die Hausherrin die Gesellschaft in die Halle des Hauses. Die Wärme des großen Kamins tut gut und das frohsinnige Plaudern dauert bis tief in die Nacht hinein. Morgens überrascht mich Peter im Hof mit dem vertrauten Geräusch meines Rollers. Bist noch mal der Schrottpresse entkommen, warne ich mein Gefährt und fahre die lustige Gesellschaft hinter mich lassend durch die Apfelbaumallee wieder auf die Landstraße hinaus.