COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (COVID-19-SchuMaV)

Letzte Woche haben sich die Gerüchte um die Einführung eines zweiten „Lockdown“ in Österreich verhärtet. Am Samstagnachmittag (31.10.2020) wurden die wesentlichsten Inhalte im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt gegeben.

Wissenswertes

Aufgrund der Novelle zum COVID-19-Maßnahmengesetz, die im Herbst beschlossen wurde, konnte der Gesundheitsminister die neuerlichen Einschränkungen allerdings nicht mehr selbständig beschließen, sondern es musste davor das Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates hergestellt werden. Dieses Einvernehmen lag am Sonntagabend (01.11.2020) vor und mittlerweile ist die Rechtsgrundlage des zweiten „Lockdown“, die COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (COVID-19-SchuMaV) auch bereits im BGBl II Nr. 463/2020 veröffentlicht. 1

Eine Besonderheit dieser Verordnung besteht darin, dass – entgegen der bisherigen Praxis in Corona-Zeiten – sogar eine Sachverhaltsdarstellung und Begründung auf der Webseite des Sozialministeriums veröffentlicht wurde.2 Das dürfte wohl auch eine Reaktion auf aktuelle Entscheidungen des VfGH sein, worin mehrere COVID-19-Maßnahmen aufgrund mangelnder Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen als gesetzwidrig aufgehoben wurden.3

Als Grundlage der COVID-19-SchuMaV sind die §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 COVID-19-Maßnahmengesetz sowie § 15 Epidemiegesetz angeführt.

Die wesentlichsten Inhalte der Verordnung sollen im Folgenden auszugsweise dargestellt werden. Sollten konkrete Rechtsfragen bestehen, ist jedenfalls eine Beratung im Einzelfall empfehlenswert, wobei unser Kanzlei-Team gerne für Rückfragen zur Verfügung steht.

§ 1 Öffentliche Orte:

An öffentlichen Orten ist ein Abstand von 1 m einzuhalten. An geschlossenen, öffentlichen Orten besteht zudem eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS), wobei dieser abdeckend und enganliegend sein muss.

§ 2 Ausgangsregelung:

Es gilt eine Ausgangsbeschränkung im Zeitraum von 20 Uhr bis 06 Uhr; zulässig ist ein Verlassen des privaten Wohnraums in diesem Zeitraum nur unter 5 alternativen Voraussetzungen, und zwar:

  • zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,
  • zur Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten,
  • zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens,
  • für berufliche Zwecke und Ausbildungszwecke, sofern dies erforderlich ist, oder zur Teilnahme an gerichtlichen oder behördlichen Verfahren oder Amtshandlungen, und
  • zum Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung.

§ 3 Massenbeförderungsmittel:

Auch hier gilt die Abstandspflicht und das Tragen eines MNS.

§ 4 Fahrgemeinschaften, Gelegenheitsverkehr, Seil- und Zahnradbahnen:

Auch hier: Abstandspflicht und MNS; hinsichtlich Seil- und Zahnradbahnen ist eine Nutzung für Freizeitzwecke nicht zulässig.

§ 5 Kundenbereiche:

Das Betreten von Kundenbereichen ist nicht verboten, es bestehen jedoch verstärkte Beschränkungen:

  • Es gelten die Abstandspflicht und das Tragen eines MNS;
  • pro Kunde muss eine Fläche von mindestens 10 m2 zur Verfügung stehen;
  • das gilt auch für EKZ.

Abstand und MNS (nicht jedoch die m2-Regelung) gelten auch für Märkte im Freien, für Verwaltungsbehörden und Gerichte sowie für geschlossene Einrichtungen zur Religionsausübung.

Abstand, MNS – und die m2-Regelung – gelten auch für Bibliotheken und Archive.

Interessant ist die Begründung auf der Webseite des Sozialministeriums, warum sonstige Betriebsstätten geöffnet halten dürfen, während Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe schließen müssen: Kunden halten sich – nach der vom Sozialministerium veröffentlichten Begründung – kürzer in sonstigen Betriebsstätten (v.a. des Handels) auf als in Gastronomie- und Beherbergungsstätten, der Aufenthalt erfolge nicht in geselligem Umfeld und der Zeitrahmen zwischenmenschlichen Kontakts liege unter 15 Minuten (Seite 6 der Begründung).

§ 6 Ort der beruflichen Tätigkeit:

  • Abstandspflicht
  • Tragen MNS im Einvernehmen zwischen AG und AN
  • Sonstige geeignete Maßnahmen

§ 7 Gastgewerbe:

Das Betreten und Befahren von Betriebsstätten der Gastgewerbe ist untersagt. Gewisse Ausnahmen bestehen lediglich für Betriebe, Schulen, Krankenhäuser, etc.

Außerdem ist zwischen 06 Uhr und 20 Uhr eine Selbstabholung zulässig.

Zudem gilt dieses Verbot im Allgemeinen nicht für Lieferservices, d.h. eine Bestellung von Speisen und Lieferung durch ein Lieferservice ist rund um die Uhr zulässig.

Interessant ist auch hier die Begründung, wie auf der Webseite des Sozialministeriums veröffentlicht: Am problematischsten sei die Nachtgastronomie, aber auch der Tagesbetrieb in Gaststätten sei problematisch, selbst wenn sich im Rahmen der Tagesgastronomie bisher nur wenige Cluster ergeben haben. Denn 70% der derzeitigen Infektionsfälle seien überhaupt nicht mehr auf eine bestimmte Quelle rückführbar. Es liegen – so das Sozialministerium – epidemiologisch relevante Umstände vor, die mit der Gastronomie verbunden seien (Seite 8 der Begründung).

Abzuwarten bleibt die rechtliche Umsetzung der in den Medien bereits angekündigte Entschädigungsleistungen sowie die Ausweitung der Kurzarbeitsbeihilfe.

§ 8 Beherbergungsbetriebe:

Das Betreten von Beherbergungsbetrieben ist untersagt. Gewisse Ausnahmen bestehen nur für berufliche Zwecke, zu Ausbildungszwecken, etc.

Interessant auch hier die Begründung des Sozialministeriums: Im Rahmen von Beherbergungsbetrieben komme es zu einer erhöhten Vermischung von epidemiologischen Einheiten und damit zu einer Vergrößerung des Verbreitungsgrades von COVID-19. Auf die Frage, warum keine gelinderen Mittel in Betracht kommen, wird jedoch in dieser Begründung nicht eingegangen (Seite 10 der Begründung).

§ 9 Sport:

Die Ausübung von Sport, bei dessen typischer Ausübung es zu Körperkontakt kommt, ist untersagt.

Das Betreten von Sportstätten ist untersagt, eine Ausnahme gilt nur für Spitzensportler, sowie für Sportstätten im Freien, sofern es bei der Sportart typischerweise nicht zu Körperkontakt kommt.

Bei Sportausübung durch Spitzensportler ist ein COVID-19-Präventionskonzept auszuarbeiten.

§ 10 Alten-, Pflege- und Behindertenheime:

Es gilt auch hier: Abstandspflicht und MNS

Zudem gelten verpflichtende wöchentliche Tests für Mitarbeiter, Tests bei Neuaufnahme von Bewohnern, und auch Besucher müssen einen aktuellen Test vorweisen.

Außerdem gelten Einschränkung der Besuchshäufigkeit und eine verpflichtende Ausarbeitung eines COVID-19-Präventionskonzepts.

§ 11 Kranken- und Kuranstalten:

Auch hier gelten Abstandspflicht und MNS, verpflichtende Tests für Mitarbeiter, und die Ausarbeitung eines COVID-19-Präventionskonzepts; sonstige Beschränkungen für Besucher gelten nicht.

§ 12 Freizeiteinrichtungen:

Das Betreten von Freizeiteinrichtungen, ausgenommen vom privaten Wohnbereich, ist untersagt.

Als Freizeiteinrichtungen gelten z.B.: Bäder, Tanzschulen, Casinos, Theater, Museen, Tierparks, Zoos, etc.

§ 13 Veranstaltungen:

Es gilt ein sehr umfassendes Veranstaltungsverbot.

Unzulässig sind v.a. kulturelle Veranstaltungen, Sportveranstaltungen, Feiern (Geburtstag, Jubiläum, Hochzeit, etc.), aber auch Kongresse, Messen und Gelegenheitsmärkte.

Ausnahmen gelten etwa für:

  • den Spitzensport,
  • berufliche Zwecke, wenn erforderlich,
  • den privaten Bereich, allerdings mit Ausnahme von Orten, die nicht der Stillung eines unmittelbaren Wohnbedürfnisses dienen, wie insbesondere Garagen, Gärten, Schuppen oder Scheunen,
  • Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz,
  • Organe politischer Parteien,
  • unaufschiebbare Zusammenkünfte von statutarisch notwendigen Organen juristischer Personen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist,
  • Zusammenkünfte von nicht mehr als 6 Personen, allerdings nur aus maximal zwei verschiedenen Haushalten;

Begräbnisse sind mit bis zu max. 50 Personen zulässig.

Ausnahmen gelten auch für Zusammenkünfte zu erforderlichen beruflichen Aus- und Fortbildungszwecken.

§ 14 Sportveranstaltungen im Spitzensport:

Zulässig sind bis zu 100 Personen in geschlossenen Räumen und bis zu 200 Personen im Freiluftbereich.

Ein COVID-19-Präventionskonzept ist auszuarbeiten.

§ 15 Ausnahmen:

Ausnahmen gelten für Bildungseinrichtungen, Universitäten, Organe der Gesetzgebung und Vollziehung, Veranstaltungen zur Religionsausübung.

Gewisse Ausnahmen sind auch von der MNS-Pflicht vorgesehen, z.B. für Kinder unter 6 Jahren, während des Essens/Trinkens, bei gewissen gesundheitlichen Anforderungen.

Gewisse Ausnahmen bestehen bei der Abstandspflicht, z.B. wenn sonstige geeignete Schutzeinrichtungen bestehen oder bei Gruppen mit bis zu 6 Personen.

Klargestellt wurde außerdem, dass Personen, die nur zeitweise im gemeinsamen Haushalt leben, Personen gleichgestellt sind, die dauerhaft im gleichen Haushalt leben.

§ 16 Glaubhaftmachung:

Die Ausnahmen zu den Ausgangsbeschränkungen (§ 2) sowie die allgemeinen Ausnahmen (§ 15) sind bei Bedarf glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der gesundheitlichen Unzumutbarkeit ist ein ärztliches Attest vorzuweisen.

...

§ 19 Inkrafttreten und Übergangsrecht:

Die Verordnung tritt mit 03.11.2020 in Kraft und mit 30.11.2020 außer Kraft.

Die Ausgangsbeschränkungen des § 2 treten bereits mit 12.11.2020 wieder außer Kraft.

Ob die getroffenen Regelungen der Überprüfung des Verfassungsgerichtshofes diesmal standhalten bleibt abzuwarten.


Von: Martin Hochleitner
Veröffentlicht: 02.11.2020