Ausgewählte Insolvenzverfahren – unsere Tätigkeit als Insolvenzverwalter
Während am Beginn der Entwicklung des österreichischen Insolvenzrechts noch die Verwertung der Aktiva des insolventen Rechtsträgers im Vordergrund stand, wurde der Fokus nach und nach auf die Sanierung des Unternehmens gelegt. Unsere Rechtsanwaltskanzlei war an dieser Rechtsentwicklung sowohl als Insolvenzverwalter als auch als Schuldnervertreter maßgebend beteiligt.
Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit für erfolgreich geführte Insolvenzverfahren und für Beiträge zur Rechtsentwicklung:
In diesem im Jahr 2015 eingeleiteten Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung wurden Forderungen in der Höhe von rund 64 Mio. Euro angemeldet. Diese Zahl verwundert nicht, handelt es sich bei dieser Holding-Gesellschaft doch um den „Kopf“ der Asamer Gruppe. Nach Führung eines Aktivprozesses durch den Insolvenzverwalter, der im Sinne der QuadraCir erledigt wurde, konnten die Gläubiger mit einer Quote von 22% befriedigt werden.
Im Jahr 2015 wurde ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet, angemeldet waren Forderungen in der Höhe von knapp 10 Mio. Euro. Für das Unternehmen wurde ein angemessener Käufer gefunden, wodurch nicht nur die Gläubiger mit einer Quote von 85,5% befriedigt werden konnten, sondern auch die Weiterführung des Unternehmens am selben Standort unter Beibehaltung sämtlicher Mitarbeiter ermöglicht wurde.
Die Eröffnung dieses Insolvenzverfahrens im Jahr 2012 traf so manchen Bierliebhaber schwer. Doch auch hier konnte im Rahmen eines Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung ein neuer Käufer für das Unternehmen gefunden werden. Angemeldet waren ca. 1,9 Mio. Euro offene Forderungen, wobei die Gläubiger mit einer Quote von 13,1% befriedigt werden konnten.
Im Zuge dieses Insolvenzverfahrens hat sich vor allem eine Frage aufgetan, die bis zu diesem Zeitpunkt in der Rechtswissenschaft noch nicht eindeutig beantwortet war: Welche Wirkungen entfaltet ein nachträgliches Überbot nach Abhaltung einer freiwilligen Feilbietung und nach bereits erfolgter gerichtlicher Genehmigung des Kaufvertrages?
Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Linz in der Entscheidung vom 08.07.2015 zu 2 R 107/15s und 2 R 108/15p beschäftigen (veröffentlicht in ZIK 2015/312, 233; vgl. dazu auch den Besprechungsaufsatz von Mayrhuber, Zum deutlich höheren „Überbot“ nach gerichtlicher Genehmigung eines Kaufvertrages, ZIK 2015/273, 208; sowie die Besprechung von Übertsroider, Aktuelle Rechtsprechung – OLG-Sprengel Linz, Jahrbuch Insolvenzrecht und Sanierungsrecht 2016, 129 (134 ff)). Der Entscheidung des OLG Linz lag folgender Sacherhalt zugrunde:
Im Zuge eines Verwertungsverfahrens nahm der Insolvenzverwalter eine freihändige Feilbietung vor, also einen Verkauf des Unternehmens bzw. der Unternehmensbestandteile durch ein Bieterverfahren. Im vorliegenden Fall gab es zwar mehrere Interessenten, der Insolvenzverwalter entschied sich aber die Feilbietung abzubrechen, da die Angebote deutlich unter dem geschätzten Verkehrswert lagen. Im Anschluss daran langten zwei Anbote aus dem ursprünglichen Bieterkreis beim Insolvenzverwalter ein. Beide Anbote hatten zur Bedingung, dass kein weiteres Bieterverfahren durchgeführt wird. Somit waren beide Anbote der Bieter jeweils „best and final“. Der Insolvenzverwalter hat den Kaufvertrag mit dem besseren Bieter (Preisdifferenz 30%) mit Zustimmung der Schuldnerin geschlossen, den Gläubigerausschuss mit dem Verkauf befasst und die gerichtliche Genehmigung eingeholt. Dieser Kaufpreis lag bereits über dem geschätzten Verkehrswert. Erst danach meldete sich der unterlegene Bieter und legte ein Angebot vor, welches den Kaufpreis um 25% überstieg.
Das OLG Linz kam im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass nachträglichen Überboten zwar grundsätzlich mit Zurückhaltung entgegengetreten werden muss. Denn die Rechtssicherheit ist auch bei der freiwilligen Feilbietung erstrebenswert. Zudem wäre die Effektivität der freiwilligen Feilbietung gefährdet, ließe man eine solche Praxis zu. Ein solches Überbot, das den ursprünglichen Kaufpreis jedoch um 25% übersteigt, kann nach Ansicht des OLG Linz aber nicht unberücksichtigt bleiben, weshalb im Ergebnis die gerichtliche Genehmigung des ursprünglichen Kaufvertrages aufzuheben war und auf das Überbot eingegangen werden musste. Durch dieses Überbot werden nach Ansicht des OLG Linz nicht nur die Interessen der Gläubiger bestmöglich gewahrt, sondern auch der Schuldnerin. Das OLG Linz hielt auch fest, dass der Insolvenzverwalter gezwungen war, den ursprünglichen Kaufvertrag abzuschließen, da es sonst zum nachträglichen Überbot gar nicht gekommen wäre. Nur deshalb konnte ein solcher Erlös erzielt werden, der zu einer Quote von über 80% führte.