Künstliche Intelligenz-Strategien als Basis ordnungsmäßig wirkender KI-Systeme

Die Wirkmächtigkeit der KI wird den Wandel in die digitale Gesellschaftsform weiter beschleunigen. Man denke nur im öffentlichen Bereich an durch die KI ausgelöste Diskussion zu Demokratie, Macht, Freiheit, Gesellschaftsordnung, usw. - im privatwirtschaftlichen Bereich an die Wirkung in den einzelnen Gegenstandsbereichen eines Unternehmens. Organisationen benötigen Konzepte, Modelle, Frameworks für die Einordnung der KI. Spätestens seit der Ankündigung durch ChatGPT hat die KI in der Öffentlichkeit eine heftige Wirkung erzeugt. ChatGPT war nur der Auslöser der KI-Welle.

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Wenig später haben GOOGLE, APPLE usw. ebenfalls KI-Lösungen angeboten, was heißt, dass der Anbietermarkt auf diese Entwicklungen vorbereitet war. Auch die EU versucht im AI-Act als Ordnungsmacht einzugreifen. Obwohl die KI nicht neu ist, müssen wir von der These ausgehen, dass die mangelnde Verfügbarkeit von Frameworks für die Entwicklung von KI-Strategien wesentliche Ursache für deren unsystematischen Einsatz ist.

Wenn wir die Entwicklung der KI nach Perioden betrachten, wurden wesentliche Grundlagen im Zeitraum von 1940 – 1970 gelegt (z.B. Neuronale Netze). Wir können diese Zeitspanne als BASIC bezeichnen, die primär von akademischen Einrichtungen getragen wurde. Die Dartmouth Conference (Juli 1956) gilt als Geburtsstunde der KI als Forschungsgebiet. Das 1966 von J. Weizenbaum entwickelte Computerprogramm ELIZA ermöglichte die Kommunikation zwischen einem Menschen und einem Computer über natürliche Sprache – also der erste Chatbot. 1968 berät M. Minsky Stanley Kubrick beim Film „2001, Odyssee im Weltraum“, womit die KI den Einzug in die Filmindustrie hält.

KI-Strategien stehen in Zusammenhang mit IT-Strategien. Frühe Ansätze zu IT-Strategien findet sich in den 1960er Jahren fast ausschließlich in englischsprachigen Publikationen. John v. Diebold, aber auch Rockart reflektierten die Auswirkungen des Computers auf Unternehmen und betonten die Notwendigkeit strategischer Planung für die IT-Nutzung. In den folgenden Jahrzehnten, die durch den Wandel zur digitalen Gesellschaftsform gekennzeichnet waren, wurden IT-Strategien auch im deutschsprachigen Raum zum Standard, was sich auch in den Publikationen spiegelte.  Hier sind insbesondere Mertens, Scheer, Heinrich und deren Schüler zu nennen, die sich dieser Thematik publizistisch annahmen.  Während durch die IT-Strategie Art, Richtung und Gestaltung der Informationsinfrastruktur einer Organisation festgelegt wird, bestimmt die KI-Strategie wie weit das Potenzial der KI in den Unternehmensprozessen ausgeschöpft wird. Wenngleich die KI-Strategie auch die IT-Strategie benötigt, besteht zwischen beiden doch ein erheblicher Unterschied. Eine Gemeinsamkeit besteht darin, dass beide von der Unternehmensstrategie abgeleitet werden, eine weitere ist darin zu sehen, dass die Informationsinfrastruktur stark von der Wirkmächtigkeit der KI bestimmt wird.

Zu Beginn der 1970er Jahre kam der sog. „KI-Winter“ der dadurch gekennzeichnet war, dass der der US-Senat die Mittel für KI wegen angenommener Erfolglosigkeit aussetzte – jedoch nur kurz. Die privaten wirtschaftlichen Anwendungen ab diesem Zeitpunkt bis in die 1990er Jahre – als MODEN bezeichnet - zeigten bereits gute Erfolge bei der Bildbearbeitung, Gesichtserkennung, Sprachverarbeitung, … Der TREND als gestaltender Pfad setzte schließlich mit den Sprachassistenten ALEXA, SIRI und weiteren KI-Produkten vor allem durch MICROSOFT, APPLE, AMAZON usw. ein.

Trotz des weit verbreiteten Mangels an Vertrautheit hat die KI ein Potenzial, das jeden Lebensweg verändert. Massen-Medienberichte über die Art von KI-Anwendung erzeugen beim Einzelnen aber auch in der Gesellschaft unterschiedlichste Wahrnehmungen, die das gesamte Spektrum von einer erschreckenden nicht wünschenswerten Gesellschaftsordnung (Dystopie) bis hin zur Verbesserung und „Segnung“ aller unserer Lebensbereiche reichen.  Beispiele für eine Dystopie finden sich bei Orwell. Huxley zeigt in seiner Arbeit Brave New World, eine Welt, in der Menschen durch Drogen und Konsumismus gefügig gemacht werden. Bradbury behandelt in seinem Werk Fahrenheit 451 eine Gesellschaft, in der Bücher verboten sind. Andererseits finden sich positive Darstellungen bspw. bei Loeb in Interstellar, wo Themen wie die Suche nach außerirdischem Leben, die Möglichkeit von außerirdischen Artefakten in unserem Sonnensystem, die Idee, dass außerirdisches Leben möglicherweise künstliche Intelligenz ist, sowie die Zukunft der Menschheit im Weltraum behandelt werden.

KI durchdringt nahezu alle Anwendungen mit ihren Auswirkungen auf unsere Lebensbereiche – noch gar nicht angedacht sind die Möglichkeiten im militärischen Bereich. Diese Gemengelage erfordert nicht nur ein nationales, sondern vor allem ein internationales Regelwerk zur Beherrschung derartiger Systeme.

Ein Ansatz dazu liegt in der Schaffung ordnungsmäßig wirkende KI-Systemen, als Basis von KI-Strategien wie Abbildung 1: ordnungsmäßig wirkende KI-Systeme zeigt. Jede Organisation versucht in ihrer Vision Wettbewerbsvorteile durch KI aufzubauen, die durchaus überbordend sein können, wie das Belief-System (Grundwerte) zeigt. Dies zu begrenzen ist Aufgabe des Boundary-Systems (Begrenzung), wo unterschiedliche Möglichkeiten der Begrenzung aufgezeigt werden. Um eine Beurteilung durchführen zu können bedarf es eines Messsystems, das im Operational-Controlling (Steuerung) seinen Ausdruck findet. Die strategische Zukunft des KI-Einsatzes erfolgt im Strategic-Control-System (Veränderung). Theorie und Praxis bieten unterschiedliche Ansätze für die Entwicklung von KI-Strategien an. Der Vorteil des gegenständlichen Ansatzes liegt in einem theoriegeleiteten integrierten Mehrsichten-Konzept, das Werte, Ethik, rechtliche Dimensionen, Metriken und strategische Sichten beinhaltet.

Abbildung: Ordnungsmäßig-wirkende KI-Systeme

 

Zur Person:

Friedrich Roithmayr habilitierte sich im Fach Wirtschaftsinformatik, war Universitätsprofessor für Wirtschaftsinformatik an verschiedenen Universitäten, unter anderem in Innsbruck, Leipzig, Linz und Lima. Von 2007 bis 2015 war er außerdem Vizerektor für Internationales an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Neben zahlreichen außeruniversitären Funktionen ist Friedrich Roithmayr auch weiterhin in Lehre und Forschung aktiv. 

Von: em. o. Univ.-Prof. Dr. Friedrich Roithmayr
Veröffentlicht: 19.08.2024