Die „COVID-19-Lockerungsverordnung“: Was gilt für Österreichs „Comeback“ ab 1. Mai 2020?
Mit 30. April 2020 traten sowohl die Verordnung betreffend die allgemeinen Ausgangsbeschränkungen als auch die Verordnung betreffend die (jedenfalls faktischen!) Betriebsschließungen außer Kraft. Obwohl dieser Termin bereits seit längerer Zeit feststand, wurde die Nachfolgeverordnung erst ca. 2 Stunden vor Mitternacht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Am 30.04.2020, ca. 22 Uhr, wurde also die COVID-19-Lockerungsverordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (kurz: COVID-19-LV) kundgemacht (BGBl II Nr. 197/2020). Die darin vorgesehenen Neuerungen werden im Folgenden kurz vorgestellt.
Rechtsgrundlage der Verordnung:
Grundlage der COVID-19-LV sind interessanterweise § 1 und § 2 Ziffer 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes. Dies ist insofern relevant, als die mit § 1 und mit § 2 verbundenen Rechtsfolgen wesentliche Unterschiede aufweisen. Insbesondere erklärt § 4 Absatz 2 COVID-19-Maßnahmengesetz die Bestimmungen des Epidemiegesetzes betreffend Betriebsschließungen nur für Verordnungen nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz für unanwendbar, nicht jedoch für Verordnungen nach § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz. Dass nun die neue COVID-19-LV auf beide Bestimmungen Bezug nimmt (§ 1 und § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz), gibt ein weiteres Argument an die Hand, dass diese im Gesetz angelegte Differenzierung (die sich auch auf den Rechtsanspruch auf Entschädigungen auswirkt) nicht nachvollzogen werden kann. Ob die durch § 4 Absatz 2 COVID-19-Maßnahmengesetz angelegte Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist, wird schlussendlich der Verfassungsgerichtshof entscheiden.
Öffentliche Orte (§ 1 COVID-19-LV):
- Beim Betreten öffentlicher Orte im Freien ist gegenüber Personen, mit denen man nicht im gleichen Haushalt lebt (im Folgenden kurz: „haushaltsfremde Personen“), ein Abstand von mindestens 1 Meter einzuhalten.
- In geschlossenen Räumen gilt diese Abstandsbestimmung ebenso, zusätzlich ist aber auch eine „den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung“ (im Folgenden kurz: „MNS-Vorrichtung“), also eine Schutzmaske oder ein Plexiglasvisier, etc. zu tragen.
- In Massenbeförderungsmitteln (=Bus, Zug, etc.) ist einerseits der oben beschriebene Abstand einzuhalten, andererseits eine oben beschriebene MNS-Vorrichtung zu tragen. Kann jedoch der Mindestabstand nicht eingehalten werden, so kann davon ausnahmsweise abgewichen werden.
- In Luftfahrzeugen ist dieser Abstand nicht einzuhalten (siehe § 11 Absatz 8 COVID-19-LV).
- Im Allgemeinen zu beachten ist: Der Mindestabstand ist jeweils nur gegenüber haushaltsfremden Personen einzuhalten!
Kundenbereiche (§ 2 COVID-19-LV):
- Kundenbereiche dürfen grundsätzlich wieder betreten werden.
- Auch hier gilt jedoch der Mindestabstand von 1 Meter zu haushaltsfremden Personen und das verpflichtende Tragen einer MNS-Vorrichtung (insbesondere Schutzmaske, Plexiglasvisiert, etc.).
- Auch die Mitarbeiter haben grundsätzlich eine MNS-Vorrichtung zu tragen (dies muss der Betreiber auch sicherstellen). Es kann jedoch auch eine andere geeignete Schutzvorrichtung verwendet werden, wenn das gleiche Schutzniveau gewährleistet ist.
- Pro Kunde müssen mindestens 10m² zur Verfügung stehen.
- Für baulich verbundene Betriebsstätten (z.B. Markthallen, Einkaufszentren) gilt zusätzlich Folgendes:
Hier sind die Flächen des Verbindungsbauwerks und der jeweiligen Betriebsstätten zusammenzuzählen.
Sowohl auf der Gesamtfläche (Verbindungsbauwerk + Betriebsstätten) als auch in den jeweiligen Betriebsstätten dürfen sich maximal so viele Kunden aufhalten, dass pro Kunde 10m² der Gesamtfläche bzw. der jeweiligen Betriebsstätte zur Verfügung stehen.
Wer für die Einhaltung dieser Bestimmung verantwortlich ist, ergibt sich nicht ausdrücklich aus der Verordnung. Hinsichtlich der einzelnen Betriebsstätten ist dies sicherlich der jeweilige Geschäftsinhaber (=Shop-Betreiber). Hinsichtlich der Allgemeinflächen (Verbindungsbauwerk) besteht jedoch das konkrete Risiko, dass Inhaber des Verbindungsbauwerks (z.B. Einkaufszentrumsbetreiber) für die Einhaltung dieser Regelung in Anspruch genommen werden. Es empfiehlt sich daher, proaktiv tätig zu werden und z.B. den Sicherheitsdienst auch mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe zu betrauen und somit die Pflicht nach § 2 Abs 1 Z 5 COVID-19-LV auf diesen zu übertragen. Weiterhin empfehlenswert sind jedoch (auch bei einer Übertragung) stichprobenartige Kontrollen.
- Kann aufgrund der Eigenart der Dienstleistung der Mindestabstand nicht eingehalten werden oder ist das Tragen von MNS-Vorrichtungen nicht möglich, so sind andere geeignete Schutzvorkehrungen zu treffen.
Ort der beruflichen Tätigkeit (§ 3 COVID-19-LV):
- Hier ist grundsätzlich der Mindestabstand von 1 Meter einzuhalten.
- Eine MNS-Vorrichtung ist – außerhalb jener Orte, wo dies nicht ohnehin verpflichtend ist – nur dann zu tragen, wenn ein Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber hergestellt werden konnte.
- Kann aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung ein Abstand von 1 Meter nicht hergestellt werden, sind andere geeignete Schutzvorkehrungen zur Minimierung des Infektionsrisikos zu treffen.
- Eine ausdrückliche „Empfehlung“ betreffend Homeoffice bzw. Telearbeit (wie diese in der Verordnung Nr. 98/2020 in der zuletzt gültigen Fassung vorgesehen war) findet sich in dieser Verordnung nun nicht mehr.
Fahrgemeinschaften (§ 4 COVID-19-LV):
- Bei der gemeinsamen Benützung von KFZ durch haushaltsfremde Personen ist
- eine MNS-Vorrichtung zu tragen, und
- es dürfen in jeder Sitzreihe einschließlich dem Lenker nur zwei Personen befördert werden.
Das heißt bei wörtlicher Auslegung der Verordnung: Bei einem PKW mit 2 Sitzreihen dürfen in der ersten Sitzreihe der Lenker und ein Beifahrer, sowie in der zweiten Sitzreihe 2 weitere Personen sitzen, insgesamt im ganzen PKW daher 4 Personen.
- Dies gilt auch für Taxis und taxiähnliche Betriebe.
Ausbildungseinrichtungen (§ 5 COVID-19-LV):
Auch hier gelten neue Regelungen, vor allem betreffend Mindestabstand und MNS-Vorrichtung. Hier dürfen wir auf den Text der Verordnung verweisen: COVID-19-Lockerungsverordnung.
Gastgewerbe (§ 6 COVID-19-LV):
- Grundregel: Weiterhin ist das Betreten von Gaststätten untersagt.
- Ausnahmen bestehen nur für Kranken- und Kuranstalten, Pflegeanstalten und Seniorenheime, Einrichtungen zur Betreuung von Kindern; ebenso für Betriebsküchen, Beherbergungsbetriebe, Campingplätze und öffentliche Verkehrsmittel, in diesen Fällen jedoch nur, wenn ausschließlich die dort beschäftigten, beherbergten bzw. transportierten Personen versorgt werden.
- Zulässig sind weiterhin die Abholung vorbestellter Speisen sowie Lieferservices.
- Für Mitte Mai 2020 ist auch eine Lockerung für Gastbetriebe angekündigt worden. Mehr Informationen finden sich auf der gemeinsamen Webseite des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus sowie der WKO, siehe: www.sichere-gastfreundschaft.at. Eine diesbezügliche Verordnung wurde jedoch noch nicht erlassen.
Beherbergungsbetriebe (§ 7 COVID-19-LV):
- Hier lautet die Grundregel, dass Beherbergungsbetriebe zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung nicht betreten werden dürfen.
- Von diesem Verbot nicht umfasst sind Beherbergungen etwa zu beruflichen Zwecken, zu Ausbildungszwecken, zur Stillung eines dringenden Wohnbedürfnisses, etc.
- Auch hier wurden Lockerungen angekündigt (für den 29.05.2020). Es gibt aber auch hier noch keine Rechtsgrundlage.
Sportstätten (§ 8 COVID-19-LV):
- Grundregel: Das Betreten von Sportstätten ist untersagt.
- Ausgenommen ist das Betreten öffentlicher Sportstätten durch Spitzensportler (das sind jene, die den Sport beruflich ausüben, dadurch Einkünfte erzielen und an internationalen Wettkämpfen teilgenommen haben). Auch deren Betreuer und Trainer sowie Vertreter der Medien dürfen die Sportstätte betreten. Auch hier gelten Abstandsbestimmungen (2 Meter) und m2-Beschränkungen (pro Person 20 m2). Auch für Kaderspieler gelten vergleichbare Regelungen. Wie dies praktisch umzusetzen ist, bleibt offen.
- Für nicht öffentliche Sportstätten gelten weitere Ausnahmen:
Diese dürfen betreten werden, wenn es sich um Sportarten im Freiluftbereich handelt und bei der Sportausübung ein Mindestabstand von 2 Meter eingehalten werden kann.
Geschlossene Räumlichkeiten dürfen nur betreten werden, wenn dies zur Ausübung der oben beschriebenen Sportart im Freien erforderlich ist.
Das Verweilen in der Sportstätte ist nur während der Sportausübung zulässig.
- Flugfelder sind nicht öffentlichen Sportstätten gleichgestellt, dürfen also auch unter den oben beschriebenen Voraussetzungen betreten werden.
Sonstige Einrichtungen (§ 9 COVID-19-LV):
Sonstige Einrichtungen dürfen durch Besucher weiterhin grundsätzlich nicht betreten werden. Das betrifft z.B. Museen, Bibliotheken, Seilbahnen, sonstige Freizeiteinrichtungen (z.B. Theater, Konzertsäle, Tanzschulen, etc.), ausgenommen im privaten Bereich. Auch hier dürfen wir auf den Verordnungstext verweisen: COVID-19-Lockerungsverordnung.
Veranstaltungen (§ 10 COVID-19-LV):
- Veranstaltungen mit mehr als 10 Personen sind untersagt.
- Der Begriff der Veranstaltung wird definiert als „geplante Zusammenkünfte und Unternehmungen zur Unterhaltung, Belustigung, körperlichen und geistigen Ertüchtigung und Erbauung“, wobei dieser Definition das Wort „insbesondere“ vorangeht, also vermutlich weit auszulegen ist und man an dieser Stelle das Bestimmtheitsgebot als gefährdet ansehen könnte.
- Dazu zählen laut der Verordnung jedenfalls „kulturelle Veranstaltungen, Sportveranstaltungen, Hochzeiten, Filmvorführungen, Ausstellungen, Kongresse“.
- Für Begräbnisse gibt es jedoch eine Sonderregelung von maximal 30 Personen.
- Bei der Abhaltung von Veranstaltungen ist zu haushaltsfremden Personen ein Mindestabstand von 1 Meter einzuhalten. In geschlossenen Räumen ist eine MNS-Vorrichtung zu tragen und es müssen 10m² pro Person zur Verfügung stehen.
- Ausnahmen von der 10-Personen-Obergrenze:
Die 10-Personen-Obergrenze gilt insbesondere nicht für
- Veranstaltungen im privaten Wohnbereich;
- Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953 (z.B. Demonstrationen);
- Zusammenkünfte zu beruflichen Zwecken, wenn diese zur Aufrechterhaltung der beruflichen Tätigkeit unbedingt erforderlich sind.
Nachdem sich mittlerweile keine explizite „Empfehlung“ mehr zu Homeoffice in der Verordnung finden lässt, ist nicht davon auszugehen, dass durch diese Regelung (und somit auf Umwegen) die berufliche Tätigkeit am eigentlichen Arbeitsplatz verhindert werden sollte.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass der „reguläre Arbeitstag“ von § 3 der Verordnung (Ort der beruflichen Tätigkeit) geregelt wird, es also keine allgemeine „Empfehlung“ für Homeoffice mehr gibt.
Zusätzlich können zu beruflichen Zwecken jedenfalls Veranstaltungen mit bis zu 10 Personen abgehalten werden. Sollen an Veranstaltungen mehr als 10 Personen (physisch) teilnehmen, ist dies nur zulässig, wenn dies unbedingt erforderlich ist.
Ob etwa angesichts der weiterhin aufrechten Einschränkungen im Zusammenhang mit den Schulen bzw. Kindergärten oder den einzuhaltenden Sicherheitsabständen Homeoffice noch für eine gewisse Zeit (teilweise) aufrechterhalten wird, ist im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden.
Allgemeine Ausnahmen (§ 11 COVID-19-LV):
- Die Betretungsverbote sowie die Bedingungen und Auflagen gelten nicht:
- zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,
- zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen oder
- zur Wahrnehmung der Aufsicht über minderjährige Kinder.
- Das Tragen einer MNS-Vorrichtung (also einer Schutzmaske, eines Plexiglasvisiers, etc.) gilt nicht für:
- Kinder bis zum vollendeten 6. Lebensjahr,
- Personen, denen aus gesundheitlichen Gründen das Tragen der Vorrichtung nicht zugemutet werden kann.
- Die Verpflichtung zur Einhaltung des Abstandes gilt nicht zwischen Menschen mit Behinderungen und deren Begleitpersonen, die persönliche Assistenz- oder Betreuungsleistungen erbringen.
- Allgemeine Ausnahme zum Mindestabstand:
Sofern zwischen den Personen geeignete Schutzvorrichtungen zur räumlichen Trennung vorhanden sind, muss ein Abstand von einem Meter nicht eingehalten werden.
- Im Fall der Kontrolle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind die Gründe der Inanspruchnahme der Ausnahme glaubhaft zu machen.
Inkraft- und Außerkrafttreten (§ 13 COVID-19-LV):
Die Verordnung tritt mit 01.05.2020 in Kraft und mit 30.06.2020 außer Kraft.
Weitere bedeutsame Verordnungen vom 30.04.2020:
Neben der COVID-19-Lockerungsverordnung wurden am 30.04.2020 noch zwei weitere bedeutsame Verordnungen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, und zwar betreffend die Einreisebestimmungen nach Österreich.
Gemäß der Verordnung Nr. 195/2020 gibt es nunmehr (unter bestimmten Voraussetzungen) eine explizite Einreiseerlaubnis für Saisonarbeitskräfte im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sowie für Gesundheits- und Pflegepersonal, verknüpft mit einer 14-tägigen Quarantäne, die jedoch beendet werden kann, wenn ein negativer Test vorliegt. Diese Verordnung bezieht sich auf die Einreise per Bus oder Zug.
Die Verordnung Nr. 196/2020 sieht im Zusammenhang mit der Einreise per Flugzeug eine vergleichbare Regelung vor.
Bitte beachten Sie, dass diese allgemeinen Informationen eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen und dass sich diese Informationen am Stand 01.05.2020 befinden. Gerne können Sie sich auch weiterhin an die Email-Adresse corona-help@iura.at oder an die sonstigen Ihnen bekannten Kontaktkanäle unserer Rechtsanwaltskanzlei wenden!