Berufslaufbahn Universität: Ein Interview mit Ass.-Prof. Dr. Thomas Aigner
Seit Anfang September 2019 ist Ass.-Prof. Dr. Thomas Aigner juristischer Mitarbeiter in der Kanzlei Hochleitner Rechtsanwälte GmbH am Standort Eferding. Im nachstehenden Interview gibt Thomas Aigner Einblicke in seinen beruflichen Werdegang und die Herausforderungen der Tätigkeit in der Wissenschaft.
Hochleitner Rechtsanwälte: Sie sind derzeit am Institut für Multimediale Linzer Rechtsstudien, Abteilung für Multimediales Zivilrecht, der Johannes-Kepler-Universität (JKU) Linz tätig, und auf dem besten Weg, assoziierter Universitätsprofessor zu werden. Warum haben Sie sich nun auch für eine Tätigkeit in der Praxis entschieden?
Thomas Aigner: Die JKU legt für die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht nur auf Forschung und Lehre Wert, sondern auch auf externe Erfahrungen. Ein solcher Forschungsaufenthalt mit Praxisbezug bietet eine gute Möglichkeit, außerhalb der Universität im Hinblick auf die juristische Tätigkeit neue Herangehensweisen kennenzulernen.
Hochleitner Rechtsanwälte: Was erwarten Sie sich von den kommenden 6 Monaten in einer Rechtsanwaltskanzlei?
Thomas Aigner: Ich habe mich für eine wissenschaftliche Mitarbeit in einer Rechtsanwaltskanzlei entschieden, weil ich hier mit Problemstellungen und Überlegungen aus der vielfältigen anwaltlichen Praxis in Berührung komme. Für Hochleitner Rechtsanwälte sprach, dass es sich um eine renommierte und zugleich moderne Kanzlei handelt, welche die Vernetzung von Wissenschaft und Praxis schätzt. Im Zuge der anwaltlichen Tätigkeit ergeben sich mitunter interessante Forschungsfragen, zu deren Lösung ich mit wissenschaftlichem Input beitragen kann.
Hochleitner Rechtsanwälte: Welche Aufgaben kommen Ihnen auf der Universität zu und welche Schwerpunkte haben Sie in Ihrer Forschung? Und: Was versteht man eigentlich unter „Multimedialem Zivilrecht“?
Thomas Aigner: Die bedeutendsten Tätigkeitsbereiche an der Universität umfassen Forschung und Lehre. Im Bereich der Forschung geht es um eine eingehende rechtswissenschaftliche Analyse, um das Erforschen der Rechtslage, insbesondere auch durch Auslegung von Rechtsnormen, sodass eine rechtliche Fragestellung einer fundierten Lösung zugeführt werden kann. Die universitäre Lehr- und Prüfungstätigkeit umfasst die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen, die Erstellung und Abwicklung von Klausuren und Prüfungen, die Korrektur derselben, die Begutachtung von akademischen Abschlussarbeiten und die Betreuung von Studierenden.
Mein Schwerpunkt in der Forschung (und auch in der Lehre) umfasst das gesamte Zivilrecht. Es geht dabei also um Rechte und Pflichten der Bürger untereinander; das Spektrum reicht vom Schuldrecht (zB Vertragsrecht, Behandlung von Willensmängeln und Leistungsstörungen, Schadenersatzrecht, Bereicherungsrecht) über das Sachenrecht (zB Eigentumsrecht, Pfandrecht, Servitutsrecht, Behandlung dinglicher Sicherungsrechte), das Erbrecht und das Familienrecht bis hin zum Internationalen Privatrecht.
An der JKU kann das rechtswissenschaftliche Diplomstudium auch weitgehend zeit- und ortsunabhängig betrieben werden (sogenanntes „Multimedia-Diplomstudium“) – „multimedial“ bezieht sich dabei auf die zur Verfügung gestellten Medien der Wissensvermittlung (Studienmaterialien, Lehrveranstaltungs-Streams usw). Das Institut für Multimediale Linzer Rechtsstudien ist für die Gesamtorganisation dieses Studienbetriebes zuständig; die Abteilung für Multimediales Zivilrecht ist in der diesbezüglichen zivilrechtlichen Lehre tätig – ebenso aber auch in der zivilrechtlichen Lehre im Präsenzstudienbetrieb.
Hochleitner Rechtsanwälte: Wie kann man sich den beruflichen Alltag eines Assistenzprofessors auf der Rechtswissenschaftlichen Fakultät vorstellen?
Thomas Aigner: Grundsätzlich handelt es sich um eine Mischung von Tätigkeiten aus den genannten Bereichen Forschung und Lehre sowie Organisation. In der detaillierten Ausgestaltung der Tätigkeiten gibt es sicherlich bedeutende Unterschiede zwischen den Instituten, die etwa vom vertretenen Fach und dessen Prüfungsintensität im Studienbetrieb sowie von den jeweiligen Vorgesetzten und auch von deren Forschungsprojekten abhängen. In meinem Bereich ist üblicherweise die parallele Arbeit an zahlreichen verschiedenen Aufgaben aus all diesen Bereichen gefordert, sodass ich an einem typischen Arbeitstag stets zwischen diesen Aufgaben hin und her wechsle.
Hochleitner Rechtsanwälte: Welche Eigenschaften sollte man aufweisen, um auf der Universität erfolgreich und glücklich zu werden? Was raten Sie Ihren Studierenden, wenn sie Interesse an der Wissenschaft und der universitären Tätigkeit haben?
Thomas Aigner: Insbesondere in der Wissenschaft tätige Juristinnen und Juristen sollten Freude daran haben und eine Begabung darin aufweisen, mit Sprache umzugehen. Dies ist Voraussetzung für die Auslegung gesetzlicher Normen; außerdem für die Präsentation der wissenschaftlichen Ergebnisse in Form einer Publikation sowie für eine gute akademische Lehre. Eigenschaften, welche für eine Tätigkeit an der Universität von Bedeutung sind, können meines Erachtens etwa mit folgenden Schlagworten umschrieben werden: Sprachkompetenz, logisches Denken, Vorstellungsvermögen und Kreativität, ein (durch eingehende und längere Befassung mit der Rechtsordnung und deren Grundprinzipien sich entwickelndes) juristisches Gespür, Interesse an sachgerechten Lösungen und eine Leidenschaft dafür, durch intensive eigene Überlegung zu ergründen, was nun rechtlich „gilt“. Genauigkeit und kritische Betrachtung helfen beim Beschreiten der eigenen Lösungswege.
Studierende, die Interesse an einer juristischen Tätigkeit in der Wissenschaft haben, sollten sich daher vor allem die Frage stellen, ob die genannten Eigenschaften auf sie zutreffen. Beim Verfassen der Diplomarbeit und von Seminararbeiten kann überdies bereits jede/r Studierende einen Eindruck gewinnen, ob ihr/ihm wissenschaftliches Schreiben zusagt.
Hochleitner Rechtsanwälte: Gibt es Vorbilder, die Sie dazu bewogen haben, an der Universität zu bleiben und Ihr berufliches Leben der Wissenschaft zu widmen? Warum haben Sie sich für die universitäre Laufbahn entschieden?
Thomas Aigner: Schon im ersten Semester des Diplomstudiums an der JKU wird für die Studierenden sichtbar, dass das rechtswissenschaftliche Studium weit mehr ist als bloße Wissensvermittlung, um das erworbene Fachwissen später im Berufsleben „abrufen“ zu können. Vielmehr werden auch die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, um eigenständig neue juristische Herausforderungen zu bewältigen. Man taucht als Studierender sogleich in die Methoden der Rechtswissenschaft ein und erfährt, wie spannend sich etwa die Auslegung gesetzlicher (oder auch vertraglicher) Bestimmungen gestaltet. Dass ich dafür und für die Wissenschaft im Laufe des Studiums große Begeisterung verspürte, verdanke ich unter anderem den Lehrveranstaltungen großartiger akademischer Lehrerinnen und Lehrer an der JKU.
Hochleitner Rechtsanwälte: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen an der Universität? Fällt Ihnen die Forschung oder die Lehre leichter?
Thomas Aigner: Um auch die eigene Forschung voranzutreiben, darf man keine Scheu davor haben, umfangreiche zeitliche Opfer zu bringen. Mir bereiten sowohl Forschung als auch Lehre große Freude; im Idealfall führt die Tätigkeit in beiden Bereichen auch zu Synergieeffekten (Stichwort: forschungsgeleitete Lehre).
Hochleitner Rechtsanwälte: Ihre Publikationsliste ist sehr lang und weist sehr namhafte Zeitschriften und Verlage auf. Auf welche Publikation sind Sie besonders stolz und warum?
Thomas Aigner: Als Rechtswissenschaftler gibt man mit Publikationen einen Anstoß zur Diskussion in der Scientific Community, schafft aber zugleich auch eine Möglichkeit für die Gerichte, dargelegte Lösungswege aufzugreifen, sodass insgesamt die Entwicklung des Rechts gefördert werden kann. Dies sollte Ansporn genug sein, seinen Anteil dazu beizutragen, sodass Stolz wohl kein Attribut ist, das ich mir selbst zuschreiben würde. Wenn ich Ihre Frage daher eher in Richtung einer Publikation lenken dürfte, die mir (im Vergleich zu anderen Publikationen) besonders erschiene, würde ich mein Buch zum Eigentumsvorbehalt (die Veröffentlichung meiner Dissertation) nennen. Diese Publikation hebt sich nämlich nicht nur im Umfang ab, sondern erforderte aufgrund der weiten Themenstellung auch die Beantwortung vieler tiefgreifender und ganz grundlegender Forschungsfragen an der Schnittstelle von Schuld- und Sachenrecht.