Aus dem Archiv: Über den Tellerrand ...
Vom Kloster Pupping kommend, seelisch gestärkt durch den franziskanischen Geist, der dort weht, fahre ich mit meinem neuen Weltrad über den Serbenfriedhof, vorbei am Schloß Harrach zur Donau hin. Gestern war ich noch am grünen Inn, heute begrüßt mich ...
...die schöne blaue Donau. Wie wunderbar abwechslungsreich ist doch unser Heimatland. Am Donaudamm bleibe ich stehen, überwältigt vom Anblick des majestätischen Flusses. Das Dunkelblau des Himmels spiegelt sich im Wasser wider. Hinter dem „Dom zu Eferding“ erheben sich die schneebedeckten Gipfel des Großen Priel, des Traunsteins, des Dachsteingletschers und des Höllengebirges, zum Greifen nahe.
„Das Eferdinger Becken mit Gebirgspanorama“, sagt jemand hinter mir. Ich drehe mich um und stehe einem älteren, hochgewachsenen Herren gegenüber. Unter seiner schon etwas abgestoßenen Kapitänsmütze blitzen zwei verschmitzte Augen hervor. „Ja, ja, das Föhnwetter macht’s möglich. Welch herrliche Sicht!“ erwidere ich ihm und verliere schwärmende Worte über dieses Postkartenidyll. Der Herr mit der Kapitänsmütze streckt mir seine rechte Hand mit einer eleganten Verbeugung entgegen. „Gestatten, Jakob Eigener mein Name, geboren in Donaueschingen, dem Geburtsort unserer Flusskönigin, pensionierter Schiffsschraubeningenieur, Hausbootsbesitzer und Donaukapitän.“ Nachdem auch ich mich vorgestellt habe, lädt mich Kapitän Eigener zu einem Nachmittagskaffee auf sein Boot „Donauquelle“ ein. Neugierig geworden nehme ich dankend an.
Auf der Brücke der „Donauquelle“ steht eine kleine, zarte Frau. Ihr Kopftuch flattert lustig im Wind und sie winkt uns zu. „Das ist Maria, meine Schwester“, erklärt mein Begleiter. „Sie wird sich über Ihren Besuch freuen!“ Und wirklich, Maria ist sehr angetan von meinem Kommen und bittet uns freundlich zu Tisch. Sie serviert uns herrlich duftenden Kaffee und noch warme, köstlich schmeckende Nussschnecken. Ich lobe die Backkunst Marias und lange kräftig zu. Als junge Frau hätte sie diese Köstlichkeit im Hotel Sacher gelernt, teilt sie mir stolz mit.
Inzwischen hat Jakob einen Stoß Bücher herbeigeschleppt und sie vor sich auf den Tisch gelegt. Mit glänzenden Augen blättert er zuerst in einem Fotoalbum, dreht es zu mir hin und beginnt über seine Liebe zur Donau zu erzählen. Das kleine Bächlein bei Donaueschingen, das sich gemütlich durch die saftige Wiese schlängelt, war Jakobs Spielplatz in seiner Kinderzeit. Schon damals hat er mit seinen Freunden Holzboote und Wasserräder gebastelt, hat davon geträumt von den Wellen, die seine Knabenbeine umspülten, zum Schwarzen Meer getragen zu werden. Jetzt in seiner Pension fährt er jeden Sommer mit den Kindern seines Sohnes von Passau bis zum Donaudelta. Dort lebt eine befreundete Familie, die von Maria und Jakob mit nützlichen Utensilien versorgt wird. Jakob zeigt mir Bilder von der Weite der Mündung unserer Flusskönigin. Ich bin begeistert. Die Urwüchsigkeit dieser Gegend fasziniert mich. Eine vollkommen andere Donaulandschaft tut sich hier auf. Träge schiebt der große Strom seine Wassermassen vor sich her bis er sich, in tausend Kanäle verästelt, dem Meer ergibt. Riesige Hochseeschiffe dümpeln hier, schlanke Postschiffe, Schilf führende Barkassen und Fischerboote, gefüllt mit Stör, Hering und Makrelen, ziehen am Ufer vorbei. Jakob erzählt mir noch Unbekanntes, Spannendes von meinem Lebensstrom, der die Menschen, die an und von ihm leben zu tiefst prägt.
Bis spät in die Nacht hinein plaudere ich mit meinen neu gefundenen Freunden. Bei Mondlicht radle ich dann heimwärts. Auf den morgigen Nachmittag auf der „Donauquelle“ freue ich mich jetzt schon und trete fester in die Pedale.