Wie wir über unseren Tod hinaus fortwirken können: Das Testament und seine Form
Wir leben länger, werden älter und haben damit auch mehr Zeit, um zu wirtschaften, zu sparen, Immobilien zu erwerben, Vermögen zu veranlagen und ihm beim Wachsen auf dem Konto oder im Depot zuzusehen. Doch irgendwann müssen wir der Realität ins Auge blicken: Wir werden früher oder später sterben. Daraus ergibt sich eine grundsätzliche Frage: Wollen wir unser Vermögen bis zum eigenen Lebensende verbrauchen? Wollen wir, sogar über unseren eigenen Tod hinaus, fortwirken, etwas hinterlassen, und die Welt nach unseren Wünschen und Vorstellungen zumindest kurz- oder sogar längerfristig, gestalten, oder nicht? Doch wie können wir sicherstellen, dass unseren Wünschen letztlich auch Taten folgen? Genau hier kommt das Erbrecht ins Spiel! Im Folgenden wird daher auf grundsätzlicher Ebene erörtert, wie ein Testament erstellt wird und welche Formvorschriften zu beachten sind, sodass es letztlich auch seine Wirkung entfalten kann, und nicht etwa erfolgreich angefochten wird.
Was passiert, wenn nicht testiert wird? – Ein Überblick über die gesetzliche Erbfolge1
Verstirbt eine Person, ohne verfügt zu haben, was mit ihrem Vermögen nach ihrem Ableben geschehen soll, kommt es zur gesetzlichen Erbfolge. Die Verwandten des Verstorbenen werden in vier Gruppen, sog Parentelen, eingeteilt. Die erste Parentel umfasst alle Nachkommen des Verstorbenen. Die zweite Parentel wird von den Eltern, den Geschwistern und deren Nachkommen, gebildet, während die dritte Parentel aus den Großeltern und deren Nachkommen, besteht. Die vierte und letzte Parentel umfasst die Urgroßeltern, allerdings ohne Nachkommen. Das Vermögen bleibt grundsätzlich also in der (weiteren) Familie.
Zu beachten ist, dass nur dann in die nächste Parentel vorgerückt wird, um Erben zu finden, wenn die vorherige gänzlich unbesetzt ist und, dass Vorfahren ihre Nachfahren jeweils vertreten, d h sie als Erben ausschließen.
Beispiel 1: Herr A verstirbt ohne Nachkommen. Im Zeitpunkt seines Todes sind seine Eltern bereits vorverstorben. Ohne testamentarische Verfügung erben seine beiden Geschwister zu gleichen Teilen.
Beispiel 2: Frau B hat drei Kinder. Ohne testamentarische Verfügung erben alle drei Kinder zu gleichen Teilen.
Dem, zum Todeszeitpunkt lebenden und (zumindest noch) mit dem Verstorbenen verheirateten, Ehegatten kommt ein eigenständiges Erbrecht zu, die Quote beurteilt sich hierbei anhand der Parentel, neben der er erbt.
Beispiel 3: Frau C und ihr Ehemann haben zwei gemeinsame Kinder. Ohne testamentarische Verfügung erbt der Ehemann von Frau C bei ihrem Tod ein Drittel, die restlichen zwei Drittel teilen sich auf die Kinder auf, d h jedes Kind erhält ein Drittel.
Zumeist lassen sich Verlassenschaften nicht allzu gut oder sinnvoll auf mehrere Erben aufteilen, insb bei Liegenschaften kann es zu Miteigentumsverhältnissen und damit oft zu Uneinigkeit und Streit zwischen Erben kommen. Auch bei Unternehmensbeteiligungen wird es sinnvoll sein, den Nachfolger festzulegen, um die Anteile in einer Hand zu belassen. Möglicherweise möchte man auch einen langjährigen Freund oder den Lebensgefährten bedenken, mit dem man zwar nie verheiratet oder verpartnert war, aber lange zusammengelebt hat oder von Todes wegen eine gemeinnützige Stiftung unterstützen.
Auch bei internationalen Zusammenhängen, etwa wenn man im Alter seinen Lebensmittelpunkt verlegen möchte, kann ein Testament sinnvoll sein, um letztwillig das anwendbare Recht zu wählen.2
Jedenfalls ist ein Testament sinnvoll, um die Umsetzung der eigenen Wünsche für den Fall des Ablebens zu garantieren.
Grundsätzliches zu letztwilligen Verfügungen: Arten und Formen3
Zunächst ist festzuhalten, dass das Testament nicht die einzige Möglichkeit ist, um über das Schicksal des eigenen Vermögens nach dem Ableben zu bestimmen, bspw kann ein Vermögenswert auch auf den Todesfall verschenkt oder übergeben werden4, eine, insb bei Liegenschaften, beliebte Lösung. Ebenso können auch bloß bestimmte Teile des Vermögens vermacht werden5. Im Folgenden soll es, um den Rahmen nicht zu sprengen, nur um das Testament und seine Form gehen. Konkret werden die beiden, praktisch häufigsten, Varianten diskutiert: Das eigenhändige und das fremdhändige, private Testament. Wichtig zu erwähnen ist, dass beide Varianten gleichwertig sind und Testamente jederzeit widerrufen werden können6.
Die Formvorschriften hinsichtlich des eigenhändigen Testaments sind folgende: Es hat sich um eine, vollständig vom Errichter handschriftlich angefertigte, am (räumlichen) Schluss mit der Unterschrift versehene Niederschrift zu handeln. Das Gesetz7 empfiehlt darüber hinaus die Beigabe von Ort und Datum der Errichtung. Ein eigenhändiges Testament setzt bloß inhaltlichen Zusammenhang voraus, dennoch empfiehlt sich jedenfalls die Nummerierung und Verbindung der Blätter.
Beim fremdhändigen Testament handelt es sich in aller Regel um einen Text in Maschinenschrift, denkbar ist aber auch die handschriftliche Anfertigung durch einen Dritten. Am Schluss der Urkunde hat der Errichter eigenhändig zu bekräftigen, dass es sich um seinen letzten Willen handelt (sog Nuncupatio) sowie zu unterschreiben. Die Unterschrift ist vor drei Zeugen8 zu leisten. Die Zeugen müssen den Inhalt des Testaments nicht kennen, sie bezeugen lediglich, dass die Urkunde den letzten Willen des Errichters enthält. Anstatt dreier Zeugen können auch zwei Notare oder ein Notar und zwei Zeugen fungieren9. Die Identität der Zeugen hat aus der Urkunde hervorzugehen, darüber hinaus haben sie eigenhändig zu unterschreiben sowie eigenhändig auf ihre Eigenschaft als Zeuge hinzuweisen. Auch hier ist die Beigabe von Ort und Datum nicht notwendig, aber dringend angeraten. Gesetz und Judikatur stellen besonders strenge Anforderungen an die Urkundeneinheit des fremdhändigen Testaments: Keinesfalls genügt die Verwendung von losen Blättern, vielmehr haben fremdhändige Testamente spätestens unmittelbar nach Leistung der Unterschrift eine Einheit zu bilden.
Im Anschluss werden die häufigsten „Stolperfallen“ der soeben erörterten Testamente diskutiert
- Kein vollständig eigenhändiges Testament
Die Anforderung des § 578 ABGB, das eigenhändige Testament vollständig selbst handschriftlich verfassen und unterschreiben zu müssen, dient dem Schutz vor Verfälschung und der Feststellung der Identität des Verfassers. Nicht gefordert wird allerdings Schreibschrift, vielmehr genügt jede lesbare Form, solange ein individuelles Schriftbild erkennbar ist, insb Blockschrift, aber auch ein Stenogramm10 mit Unterschrift in Vollschrift. Von Letzterem ist aufgrund der heute nur noch selten anzutreffenden Stenografie allerdings abzuraten. Nicht erforderlich ist, dass das Testament „in einem Sitz“ geschrieben wird, vielmehr kann der letzte Wille auch über einen längeren Zeitraum in Etappen zu Papier gebracht werden.
- Fehlende Nuncupatio bzw Zeugenbeisatz
Fehlt auf dem fremdhändigen Testament neben der Unterschrift die eigenhändige Bekräftigung des Errichters, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält („Das ist mein letzter Wille“), oder weist der Zeuge neben seiner Unterschrift nicht eigenhändig auf seine Eigenschaft als Zeuge hin („[Unterschrift] als Zeuge“), so ist das Testament aufgrund Formmangels ungültig.
- Zu wenige, untüchtige oder befangene Zeugen und unklare Identität
Für ein fremdhändiges Testament braucht es, wie bereits ausgeführt, drei gleichzeitig anwesende Zeugen, deren Identität aus der Urkunde hervorgehen muss. Wird diese Zahl unterschritten, oder ist die Identität unklar, ist das Testament aufgrund Formmangels ungültig. Es empfiehlt sich die Angabe des vollen Namens, des Geburtsdatums, der Adresse, unter Umständen auch des Berufes. Personen, die das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet haben, blind, taub, oder stumm sind, oder der Sprache des Testaments nicht mächtig sind, können nicht Zeugen sein. Erben, Vermächtnisnehmer und Personen, die mit Begünstigten verwandt oder verschwägert sind, außerdem Organe begünstigter Gesellschaften, sind befangen und daher zeugnisunfähig11.
- Urkundeneinheit
Ein in der Judikatur in letzter Zeit besonders oft behandeltes Thema ist jenes der sogenannten „Urkundeneinheit“. Da die Rechtsprechung hier zum Teil sehr strenge Anforderungen stellt, empfiehlt sich in jedem Fall eine Rechtsberatung im Einzelfall, um beurteilen zu können, ob dieses Formerfordernis erfüllt ist.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Übererfüllung der geforderten Form nicht schadet. Dringend angeraten sind die Nummerierung der Seiten des eigenhändigen Testaments sowie die Verbindung der Seiten. Eine einzelne Heftklammer genügt nicht um die geforderte Urkundeneinheit des fremdhändigen Testaments herzustellen.12 Die Verwendung eines großen Papierbogens, etwa im A3-Format, wird der Urkundeneinheit wohl Genüge tun.
- Testament wird nicht aufgefunden
Selbst wenn die notwendige Form eingehalten und ein Testament rechtsgültig errichtet wurde, kann es ein weiteres, faktisches Hindernis geben: Das Testament wird nicht gefunden. Zumindest sollte ein Testament bei den persönlichen Dokumenten aufbewahrt werden. Ebenso kann man eingesetzte Erben bzw Vermächtnisnehmer, die im eigenen Interesse dem Testament zur Geltung verhelfen werden, von der Begünstigung informieren. Sinnvollerweise sollte ein Testament darüber hinaus, auch wenn es ohne rechtskundige Unterstützung errichtet wird, im Testamentsregister durch einen qualifizierten Rechtsberater registriert werden, um sicherzustellen, dass es im Ablebensfall jedenfalls durch den Gerichtskommissär bzw Erbenmachthaber aufgefunden wird. Die Registrierung ist jederzeit möglich, es empfiehlt sich aber die ehestmögliche Umsetzung.
- Formmängel bei der Unterschrift
Die Unterschrift des Errichters sowie der Zeugen ist am räumlichen Schluss des Testaments zu leisten, keinesfalls auf einem losen Blatt. Besteht kein räumlicher und inhaltlicher Zusammenhang, ist das Testament ungültig. Etwaige nachträgliche Zusätze müssen ebenso formgültig sein, allerdings muss nicht die Form des bereits bestehenden Testaments beibehalten werden. Ein fremdhändiges Testament kann durch einen Zusatz, der die Form eines eigenhändigen Testaments erfüllt, erweitert werden, Formmängel des ursprünglichen Testaments können hierdurch allerdings nicht behoben werden. Die Unterschrift besteht grundsätzlich aus dem vollen Namen des Errichters bzw des Zeugen. Ergibt sich beim eigenhändigen Testament die Identität des Errichters allerdings aus der Unterschrift, etwa durch den bloßen Vornamen, die Namensinitialen, den Spitznamen, ein (bekanntes!) Pseudonym, den Künstlernamen oder die familiäre Stellung („Eure Mutter“) ist der Form genüge getan. Jedenfalls nicht ausreichend ist aber ein Handzeichen13.
- Wechselseitiges eigenhändiges Testament
Zuweilen möchten Ehegatten sich gegenseitig in einem gemeinsamen Testament begünstigen. Wird hierfür als Form das eigenhändige Testament gewählt, ist zu beachten, dass die jeweiligen Verfügungen auf der gemeinsamen Urkunde stets vom Verfügenden eigenhändig zu schreiben sind. Schreibt ein Gatte den gesamten Text eigenhändig und beschränkt sich der eigenhändige Teil des anderen Gatten auf die Leistung der Unterschrift, so erfüllt das Testament nur für den Gatten die Formvorschriften des eigenhändigen Testaments, der auch den Text geschrieben hat.14
Fazit
Auf den ersten Blick mag die Errichtung eines Testaments „einfach“ erscheinen, im Detail bestehen jedoch gewisse „Stolperfallen“, die man so gut wie möglich vermeiden sollte. Die Beiziehung eines qualifizierten Rechtsberaters ist daher jedenfalls empfehlenswert, ebenso die Registrierung des Testaments im Testamentsregister. Hierbei kann auch eine Prüfung auf eventuelle Formmängel oder Bedenken hinsichtlich des Inhalts vorgenommen werden. Bei inhaltlich komplexeren letztwilligen Verfügungen, insb im Zusammenhang mit Liegenschaften und Gesellschaften, ist rechtskundige Beratung besonders angeraten. Durch rechtskundige Unterstützung wird die Rechtssicherheit deutlich erhöht.
Abschließend noch ein praktischer Ratschlag hinsichtlich der Vorsorge für den Fall des eigenen Ablebens: Menschen sind verschieden und nicht jedem „liegt“ die Dokumentation der eigenen Angelegenheiten. In langjährigen Lebensgemeinschaften ergeben sich außerdem zumeist Aufgabenverteilungen. Dennoch ist die Dokumentation im Zusammenhang mit dem sog digitalen Nachlass besonders wichtig.
Die Handhabung des sog digitalen Nachlasses stellt die Hinterbliebenen oftmals, manchmal auch erst Monate nach dem Ableben, vor ungeahnte Herausforderungen, die mit verfügbaren Benutzerkonten und Passwörtern faktisch einfach zu bewältigen wären.
Dokumentieren Sie daher Benutzerkonten und Passwörter, insb bezüglich Smartphones und PCs, aber auch hinsichtlich Bankkonten und Wertpapierdepots, und Verträge mit Versicherungen, Energielieferanten, Telefonie- und Internet-Anbietern, Social Media Profile und Smart Home. Aktualisieren Sie die Dokumentation regelmäßig und bewahren Sie sie sicher auf.
Bitte beachten Sie, dass die obenstehenden Ausführungen die Gesetzeslage vereinfacht wiedergeben und eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen können. Gerne steht Ihnen das Team der Hochleitner Rechtsanwälte GmbH unterstützend zur Seite!
1 §§ 727 ff ABGB.
2 Art 22 EUErbVO.
3 §§ 577 ff ABGB.
4 § 603 ABGB.
5 §§ 647 ff ABGB.
6 §§ 719 ff ABGB.
7 § 578 ABGB.
8 § 579 ABGB.
9 Notarielle Verfügung, § 583 ABGB.
10 RS0015423.
11 § 588 ABGB.
12 2 Ob 29/22m.
13 § 580 ABGB.
14 RS0015419.